Seit 1901 wird in der Schreinerwerkstatt Heeke der Holzvogel für die Schützenvereinigung 1877 Mesum-Dorf angefertigt. Seitdem gilt diese Tradition ununterbrochen und ging dabei vom Großvater Bernhard auf den Sohn Karl und dann Enkel Bernhard über. Allesamt Schreinermeister und Vogelbaufachleute natürlich. Und mit dem Urenkel Maik stände danach schon ein Nachfolger aus der Familie Heeke bereit. Dass auch der Schützenkönig als Auftraggeber für den Vogel aus der engeren Familie kommt, ist allerdings sehr selten. „Da gab es allenfalls vor Jahren einmal einen Vetter“, erinnert sich Bernhard Heeke.
Bis in diesem Jahr Neffe und Altkönig Michael Wältering kam und fristgerecht bei seinem Onkel Bernhard den Vogel für das diesjährige Fest „bestellte, wie es die Vereinsstatuen vorschreiben“. Vorgeschrieben ist dafür auch seit Vereinsgedenken der zugehörige „Lohn“: eine Flasche Münsterländer Korn. Zugegebenermaßen nicht sehr ernsthaft versuchte der Neffe, diesen Preis innerhalb der Familie zu drücken, indem er eilfertig seine Mitarbeit und Handlangerdienste beim Vogelbau anbot.
Angesichts der vielen Einzelteile gab er allerdings seinen Versuch sehr schnell wieder auf. Denn das Anfertigen des Schützenvogels, so erklärte Bernhard Heeke dabei, sei in den letzten Jahren dank zusehends schärferer Sicherheitsvorschriften beim Vogelschießen immer komplizierter und damit „zu einer Wissenschaft für sich“ geworden. Neue Munition erfordere leichtere Konstruktionen und anderes Holz. Nunmehr werde der Vogelkörper aus Birke zugeschnitten und aus vielen Einzelteilen zusammengeleimt. Accessoires wie Flügel, Hals, Krone, Füße und Zepter verlangen wiederum nach besonderem Material.
Wenn Vogelmacher Bernhard ins Erzählen kommt, dann folgen Anekdoten und kleine Geschichtchen in unterhaltsamer Folge. Ein erstes Beispiel gefällig: Früher, da seien die Vögel noch aus harter Eiche gefertigt und zusätzlich von Draht umwickelt worden. Denn geschossen wurde damals mit großkalibriger Munition und der Schießmeister hätte vorher in der Werkstatt eigens „Maß genommen“. Nach dessen Augenschein habe man dann mitunter gar die Munition präpariert zu einer Art „Dum-Dum-Geschoss“. So sei es möglich gewesen, durch die Zuordnung der passenden Kugel das Schießen zu manipulieren, um den „richtigen König“ zu bekommen.
Wie viele Vögel Bernhard Heeke in seinem Leben schon gefertigt hat? Er hat sie nicht gezählt, weiß aber, dass er schon als Lehrling gegen Ende der 1950-er Jahre seinem Vater Karl und seinem Großvater Bernhard dabei aktiv geholfen hat. Letzterer sei sehr kritisch gewesen, wenn es um die überlieferte Formen gegangen sei. Dazu habe er keinerlei Kompromisse geduldet und es konnte schon mal vorkommen, dass der Hals des fertigen Vogels wieder herunter und neu angefertigt werden musste.
Schablonen und moderne Maschinen erleichtern heute die Arbeit. Dennoch zeigte sich Altkönig Michael Wältring beeindruckt von dem hohen Arbeitsaufwand mit den vielen Einzelteilen, die präzis zugeschnitten, verleimt und geformt werden müssen. Da war es für ihn keine Frage, dass er den traditionellen „Lohn“ in der Flaschenzahl verdoppelte und noch eine herzhafte Mettwurst dazu legte. Ein klein wenig habe sich inzwischen die Tradition angepasst, zwinkerte dabei der Vogelmacher: Statt der Flasche Korn gebe es jetzt einen guten Wein. Früher zu Großvaters Zeiten sei es schon mal passiert, dass der Korn, kaum vom Altkönig gebracht, gleich in der Werkstatt mit guten Nachbarn und Schützenfreunden „zu Ende probiert wurde“.
Noch etwas hat sich im gewohnten Ritual und Ablauf geändert: Musste einstmals der fertige Vogel zur weiteren Bearbeitung zum Anstreicher gebracht werden, so erledigt Bernhard Heeke diese Aufgabe inzwischen gleich mit. Denn wie kein anderer im Verein kennt er die vorgeschriebene originale Bemalung. Und kann zudem garantieren, dass das Endprodukt vom Altkönig den Dorfschützen pünktlich zur Vogelbeschau präsentiert werden kann. Das war mindestens einmal in der Schützengeschichte nicht ganz so, kennt Bernhard Heeke noch eine heitere Erinnerung: Einmal habe der Altkönig die obligatorische Flasche zum Bezahlen „vergessen“ und prompt war bei der Vogelbeschau vor versammelter Schützenschar kein Vogel da. Erst als der Mann reuevoll zum Schnapskauf gesprintet war, tauchte auf wundersame Weise ein fertiger Vogel unter einem großen Späneberg in der Werkstatt wieder auf.
Dieses Vogelbegucken, wobei auch das hölzerne Modell für das Bierfassschießen abgenommen wird, findet diesmal am Mittwoch, 8. August, im Festzelt beim Vereinswirt Beckmann auf der Hohen Heide statt. Beginn ist um 19.30 Uhr. Für alle Mitglieder ist es gleichzeitig der Auftakt der Feierlichkeiten zum Schützenfest-Wochenende. Alle ehemaligen Könige und Kaiser treffen sich allerdings schon einen Tag zuvor am 7. August zum traditionellen Plakettenputzen.