Corona bedeutete für die Mesumer Dorfkarnevalisten eine lange Zwangspause, auf deren Ende sich alle freuten, wie Martin Hüls als Vorsitzender der Schützenvereinigung 1877 Mesum-Dorf bei der Begrüßung zur großen Karnevalssitzung formulierte: „Schön, dass wir jetzt wieder dort sind, wo wir alle hinwollten: Karnevalfeiern.“ Die Karnevalisten nutzten die Zwischenzeit bis zum gelungenen Re-Start für gravierende Änderungen ihrer traditionellen Sitzung, die es jetzt seit genau 55 Jahren gibt . Sie läuteten eine neue Ära in Gestaltung, Schwerpunktsetzung und Ablauf ein: Deutlich kürzer und straffer, weniger Bütt und Narretei und dafür mehr Musik und Show.
Das begann schon beim Start: Statt eines großen Aufzuges wirbelten unvermittelt die drei Solomariechen Pia Deitmar, Femi Koepernik und Anni Schmees, alle acht bis neun Jahre alt, mit anmutigem Tanz zur ebenso stimmungsvollen wie überraschenden Eröffnung über die Bühne. Das ergab ein erstes donnerndes Helau vom begeistertes Publikum. Die zweite Überraschung servierte dann der Elferrat, der als quietschfidele Anglertruppe auftrat: Hinter einer Kulisse zauberte Kapitän und Zeremonienmeister Jörg Schnellenberg mit seiner Angel eine Meerjungfrau (Britta Vorbrink), eine Krake (Barbara Overesch) und den Sagenkönig Neptun (Anke Sievers) hervor.
Dieses maritime Trio präsentierte Sitzungspräsident Christian Grothues als neues Dreigestirn mit „Prinz, Jungfrau und Bauer der Session 2023“, um es dann vom stellvertretenden Bürgermeister Fabian Lenz und Mesums „heimlichen Bürgermeister“ Josef Wilp proklamieren und in Amt und Würden setzen zu lassen. Beide teilten sich die Aufgabe: Fabian Lenz übergab, sichtlich beeindruckt vom bis auf den letzten Platz gefüllten Narrenzelt, das städtische Flachgeschenk und Josef Wilp den Schlüssel. Die so inthronisierte Narrenelf dankte mit ihrem Motto: „Helau und Hurra, als Elferrat sind wir wieder da““
Dann ging es ohne Atemholen weiter. „Wir wollen ja noch anschließend viel Zeit für Tanz und Feier haben“, hatte dazu Christian Grothues versprochen. Für die Große Garde bedeutete dies, dass sie zu ihrem Abschied „nach neuen Jahren Auftritte in der Bütt“ nur zwei Gardetänze darbieten konnte. Elemente aus ihrem geplanten Showtanz verpackten sie darum in die frenetisch vom Publikum erklatschte Zugabe. Neben Beifall und Rakete gab es als Dank den Sessionsorden für alle und Präsente für die Trainerinnen Kira Hüls und Alina Brockmann. Den Orden bekamen danach auch die Gäste aus den Nachbarvereinen und verdiente Karnevalisten. Dazu gehörte eine kleine künstlerische „Ordensgemeinschaft“, die bereits seit 20 Jahren die Ordensrohlinge farbenprächtig gestaltet.
In die Bütt stiegen dann der „Groß-Berliner“ Michael Wältering und der „Klein-Berliner“ Klaus Overesch. Die beiden urigen Typen beleuchten schon seit Jahren heiter-ironisch, zuweilen auch mal bissig die große und kleine Politik. Sie sahen dabei Chancen für ein ganz neues Corona-Testverfahren „Lolli oral“, hatten die „letzte Klein-Berliner Generation“ bei Protesten im Mesumer Tagebau weit im Feld erlebt, stolperten über Gender-Probleme und plädierten für eine Poggen-Schutzimpfung. Oder hatten sie sich da verhört und es war die Pocken-Impfung gemeint? Egal, das närrische Publikum hatte seine helle Freude an dieser Verwechslung. Das galt auch, als das Duo sich durch Christian Schmees mit seiner Ukulele zu einem urkomischen Trio erweiterte und nun zur Mimik nun noch die Musik kam. Dabei ging es um die schaurig-traurige Ballade von der verschwundenen Königskette und vom Schützenkaiser, den eigentlich keiner wollte. Dass dabei niemals das Wort „Poggenland“ fiel, war auffallend-bewusst. Aber jede(r) im Zelt wusste, worum es sich handelte.
Einen Abschied in ganz angenehmer Art erlebt die Jugendgarde. Als solche trat sie letztmals auf und erlebt im nächsten Jahr ihren Aufstieg zur Großen Garde. Dazu galt es für sie zwei Problemen zu lösen: Tanzoffizierssuche und Geld für drei neue Gardekostüme. Beim Geld sprang spontan die Volksbank ein, aber einen Tanzoffizier müssen die Mädchen selbst finden. Dabei hat die große Mädchentruppe unter der Leitung ihrer Trainerinnen Jana Thalmann, Louisa und Maike Hüls tänzerisch und rhythmisch allerhand zu bieten. Dazu kam diesmal als zusätzliche sportliche Herausforderung alle Augenblicke ein fliegender Kostümwechsel, der jedes Mal das Gesamtbild farbig umgestaltete.
„Tanz ist nicht nur Frauensache“, kündigte Christian Grothues an, vermutete aber beim Männerballett „verschiedene hüpfende Fettpölsterchen“. Doch Grothues hatte sich getäuscht, denn die Herren erwiesen sich im Nachhinein als durchtrainiert, schrittsicher sowie tanzfest und verblüfften durch Akrobatik und Harmonie. Trainerin Jana Thalmann hatte das Männerballett so gut vorbereitet, dass locker noch die Puste für eine Zugabe reichte. Und später noch zum gemeinsamen Sturm mit der Jugendgarde auf die Bühne, als die Große Garde zu ihrem zweiten Gardetanz noch die Zugabe „Olivia“ gab und man sie mit einem großformatigen Bühnenbild verabschiedete: Eine feine Geste der Gemeinsamkeit!
Krachen ließ es danach wie gewohnt die Starparade mit ihrem tollen Mix aus buntem Play-back und technischen Bühnenelementen aus Show, Musical- und Schlagermusik, Tanz und Parodie, oft mit grotesker Mimik und Performance angereichert. Das reichte von gemütlich-bayerischer Hellweg-Volksmusik mit „Servus, grüezi miteinand“ über ein Jürgen-Drews-Medley, „Lady Marmelade“ aus „Moulin Rouge“ bis zu einem „Let it be“-Remix als Zugabe. Das kam an und das närrische Klein-Berliner Publikum tobte vor Begeisterung.